Frage & Antwort
Auf dieser Seite finden Sie Antworten zu den häufigsten Fragen rund um das Institut und die Ausbildung.
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Welche Ausrichtung hat das Institut?
Unser Institut ist ein psychoanalytisches Institut. Deswegen ist es unser oberstes Anliegen, eine gute Ausbildung zum Psychoanalytiker anzubieten. Psychologen und Ärzte werden dabei gemeinsam ausgebildet. Das bedeutet vor allem dreierlei:
- Eine fundierte Selbsterfahrung in der Lehranalyse mit mindestens vier Wochenstunden als Grundlage für die spätere Berufsausübung und für ein Verständnis für psychoanalytische Behandlungen, die ihre Zeit brauchen. So kann sich eine berufliche Identität als PsychoanalytikerIn entwickeln. Durch die Institutszugehörigkeit auch nach dem Abschluss der Ausbildung öffnet sich für viele im Institut und der DPV eine berufliche Heimat.
- Eine intensive Arbeit zur Aneignung analytischer Behandlungspraxis und Haltung. Diese erfolgt zunächst im Rahmen der Erstinterviewsupervisionen, dann in den Supervisionen und kasuistischen Kleinseminaren der eigenen –auch hochfrequenten und länger dauernden- Behandlungen, um eine Aneignung von Kenntnissen auch über lang dauernde Psychotherapien möglich zu machen. Dies ist in besonderer Weise bei der großen Zahl von chronifizierten, strukturell gestörten und komplex traumatisierten Patienten dringend erforderlich. Es ist eine wesentliche Erweiterung von therapeutischen Kenntnissen über die Ausbildung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung hinaus. Die Trias von erstens sensibler Wahrnehmung des Patienten nicht zuletzt durch die eigene Gegenübertragung, zweitens dem Versuch, auf die Äußerungen des Patienten klärend, deutend etc. einzugehen und drittens der Beachtung konzeptionelle Aspekte der Transformation seelischen Geschehens wird allmählich eingeübt und kann sich individuell entfalten.
- Eine allmähliche Einarbeitung in die differenzierten Konzepte und „Psychologien“ der Psychoanalyse in den theoretischen Seminaren, um die Arbeit mit den Patienten anreichern zu können mit inneren Vorstellungen und Gedanken, die bei der Verarbeitung, beim Containen der vom Patienten mitgebrachten inneren Welt hilft.
Die Einzelheiten können Sie unter den Rubriken „Ausbildung für Psychologen“ oder Ausbildung für Ärzte“ finden.
(Michael Gingelmaier)
Wie lange dauert die Ausbildung?
In der DPV dauert die Ausbildung von der Zulassung bis zum Abschlusskolloquium im Durchschnitt ca. sieben Jahre. Das Psychotherapeutengesetz geht bei der berufsbegleitenden Ausbildung von mindestens fünf Jahren aus. Ausgebildet wird nach dem PsychThG in zwei Fachkunden parallel, d.h. in analytischer Psychotherapie und in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie. Dieser Ausbildungsstrang wird mit der schriftlichen und mündlichen PsychThG -Prüfung abgeschlossen. Gleichzeitig erwerben Sie auch die Kenntnisse und Erfahrungen, die zum Abschluss als Analytiker in der DPV/IPV führen. Diesen Ausbildungsstrang beendet das Kolloquium.
Was ist mit dem Praktikum?
Gegenstand der Ausbildung bis zur Zwischenprüfung ist auch ein Praktikum an einer psychiatrischen bzw. psychosomatischen Klinik, das insgesamt 1800 Stunden umfassen muss. Dies wird an den einzelnen Kliniken unterschiedlich gehandhabt. Unser Ausbildungsinstitut hat mit Kliniken bzw. Universitätsabteilungen sog. Kooperationsverträge abgeschlossen, um den Ausbildungsteilnehmern entsprechende Praktikumsplätze vermitteln zu können. Sie können sich aber auch um Stellen an anderen Einrichtungen bemühen. Wir unterstützen Sie bei der Anerkennung durch das Regierungspräsidium.
(Michael Gingelmaier)
Ist die Ausbildung auch in Vollzeit möglich?
Nein, eine Vollzeitausbildung in drei Jahren bietet unser Institut nicht an.
Wann kann ich mit der analytischen Ausbildung beginnen?
Schon während des Studiums eine psychoanalytische Ausbildung zu beginnen ist bisher (und voraussichtlich auch weiterhin) nicht möglich, selbst wenn es im Rahmen einer Direktausbildung, die z. Z. sowohl von der Bundespsychotherapeutenkammer als auch vom Bundesministerium im Grunde parallel zur Medizinerausbildung favorisiert wird, zu einer früheren Approbationserteilung käme. In wie weit und in welcher Richtung die augenblicklichen Diskussionen über eine dringend anstehende Reform der psychologischen Psychotherapeutenausbildung Veränderungen mit sich bringen werden, ist offen.
Für Ärzte ist das abgeschlossene Hochschulstudium mit Approbation die Eingangsvoraussetzung. Für die Berufsausübung als Kassenarzt, d.h. die sozialrechtliche Zulassung, ist der Facharzttitel notwendig, naheliegend in einem der „P“-Fächer (Psychiatrie einschließlich K&J, Psychosomatik) als Grundlage der „Zusatzbezeichnung“ Psychoanalyse.
(Michael Gingelmaier)
Was lernt man bei der analytischen Ausbildung?
Abgesehen davon, dass das Psychotherapeutengesetz die Ausbildung in den einzelnen Fachrichtungen regelt, hat die Ausbildung in Psychoanalyse schon immer auch die Ausbildung in den sog. „angewandten“ Verfahren, also analytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie eingeschlossen. Gerade letztere ist ein sehr intensives und komplexes Verfahren, für das man unseres Erachtens eine gute psychoanalytische Ausbildung und Selbsterfahrung benötigt. Sowohl in Theorie als auch im Psychotherapieseminar werden Grundzüge der Tiefenpsychologie und deren Anwendung besprochen.
Gibt es ein Mindestalter für die Zulassung?
Die Altersbeschränkungen ergeben sich aus den Voraussetzungen für die analytische Ausbildung. Ein Hochschulstudium wird in der Regel nicht vor dem 25. Lebensjahr abgeschlossen. Eine obere Altersgrenze gibt es nicht. Hier wird man im Einzelfall auch im Rahmen der Bewerbungsgespräche überlegen, ob es sinnvoll ist, in fortgeschrittenem Alter eine so aufwändige Ausbildung zu beginnen.
Wie ist das mit der Lehranalyse?
Über Sinn und Zweck der Lehranalyse: In der Lehranalyse wird dem Analysanden, also dem Ausbildungskandidaten, durch die intensive Selbsterfahrung ermöglicht, die analytische Situation zu begreifen und zu verinnerlichen. In der Analyse kann ein Raum zwischen zwei Menschen, dem analytischen Paar, für noch nicht Gefühltes und Gedachtes entstehen i.S. eines sehr besonderen Arbeitsbündnisses, das Erfahrungs- und Denkmöglichkeiten bietet, die im heutigen akademischen Betrieb sonst kaum noch zu finden sind. Außerdem wird – nicht nur über Vorlesungen und Bücher, sondern durch die intensive Selbsterfahrung –, die analytische Methode (gemeint ist die freie Assoziation, die Analyse von Übertragungsmustern und das Wissen um die Existenz des Unbewussten) erworben. Für diese psychische Entwicklung ist unserer Auffassung nach eine über die Woche verteilte, hochfrequente analytische Langzeit-Erfahrung notwendig und daher durch die Ausbildungsregularien der DPV vorgesehen. Sie sollte die gesamte Ausbildungszeit begleiten und stärkt die Kandidatin/den Kandidaten auch in den spezifischen PsychThG – und Facharzt – Ausbildungsteilen im Umgang mit den teilweise äußerst schwierigen klinischen und institutionellen Einzel- und Gruppenerfahrungen.
In der mit vier Sitzungen pro Woche stattfindenden Lehranalyse geht es – wie in der therapeutischen Analyse – vorrangig darum, die unbewussten Beziehungsangebote der Kandidatin, des Kandidaten zu verstehen. Dazu ist es für den Analytiker notwendig, die unbewussten Übertragungs- und Abwehrprozesse aufzuspüren, diese aufzunehmen, auszuhalten und zu bedenken (etwa: Weshalb werden diese so und nicht anders in Beziehungen zu anderen Menschen und zu sich selbst eingesetzt, welche Ängste und Konflikte sollen auf diese Weise vermieden werden, wie wird dadurch Nähe und Distanz in Beziehungen gesteuert, kontrolliert, manipuliert?). Das geschieht vorrangig über die im (Lehr-) Analytiker entstehenden Gegenübertragungsreaktionen, die dieser wahrzunehmen und für sich zu deuten gelernt hat. Erst danach, sozusagen in psychisch verdauter und abgemilderter Form, versucht er dem Analysanden das, was er glaubt über ihn verstanden zu haben, verbal zurück zu spiegeln und gemeinsam mit ihm durchzuarbeiten. Vorrangiges Ziel der Lehranalyse ist somit die Einsicht und Akzeptanz des Kandidaten in die eigenen psychischen Schwierigkeiten (z.B. in die zerstörerischen Auswirkungen von unbewusstem Neid, bzw. der Abwehr von Neid durch Idealisierung oder Entwertung, weil damit das Vorherrschen des Libidinösen in Beziehungen und zu sich selbst wie zu anderen erschwert, wenn nicht gar verhindert wird). Als Analytiker verbinden wir mit unserer Reflexionsarbeit nicht nur die Hoffnung, sondern auch eine inzwischen jahrzehntelange Erfahrung, dass wir durch die minutiöse Analyse derartiger unbewusster innerpsychischer Mechanismen und deren Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen neue Wege und Brücken bauen können hin zu einem Mehr an einfühlender Bezogenheit zu anderen und der Fähigkeit zum dialogischem Austausch – privat wie beruflich.
Die Kosten für eine Lehranalysesitzung betragen zurzeit etwa 70,- € pro Stunde und können als Aus- bzw. Weiterbildung steuerlich abgesetzt werden. Bis zur Zeit der Behandlungserlaubnis für den Kandidaten gibt es die Möglichkeit von zinslosen Krediten durch die DPV-Stiftung.
(Mirjam Liepmann)
Wie kann man die Ausbildung schaffen?
Die psychoanalytische Ausbildung erfordert – wie im Grunde jede andere psychotherapeutische Ausbildung auch – einen hohen Aufwand an Zeit und Geld. In finanzieller Hinsicht ist vor allem die Phase vor dem Vorkolloquium (ca. 1,5 bis 2 Jahre) schwierig, da man einerseits die Kosten der Lehranalyse hat und andererseits noch keine eigenen Behandlungen durchführen kann, die diese Kosten decken können. Um diese Phase zu überbrücken, kann man sich bei der DPV-Stiftung um ein zinsloses Darlehen bewerben oder ggf. ein günstiges Darlehen bei einer Bank aufnehmen. Sobald die praktische Ausbildung beginnt, finanziert sich die Ausbildung quasi selbst, da man die Behandlungen über die Institutsambulanz abrechnen kann und diese genauso vergütet werden wie die Behandlungen niedergelassener Psychotherapeuten und an unserem Institut in voller Höhe ausbezahlt werden.
Nichtsdestotrotz ist ein gewisser Verzicht erforderlich, der manchmal mehr und manchmal weniger schwer wiegt. Gerade da ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, wofür man seine Zeit und sein Geld aufwendet. Lehranalyse sowie Supervisionen und Seminare sind Teile der Ausbildung, die man nicht einfach lustlos absitzt wie etwa eine langweilige Vorlesung, sondern sie bieten Räume, in denen man mit anderen (Lehranalytikern, Dozenten, Mitgliedern, Peer Group) in Beziehung und intensivem Austausch steht. Dieser vielfältige Austausch ermöglicht die Entwicklung und Entfaltung einer eigenen psychoanalytischen Haltung und nicht zuletzt auch eine ganz persönliche Weiterentwicklung, was als große Bereicherung erlebt werden kann.
(Caroline Schenkenbach)
Befinden sich Verhaltenstherapie & Psychoanalyse in Ärztehand?
An den Hochschulen sind die klinisch-psychologischen Lehrstühle inzwischen außer zweien alle von VT-orientierten Psychologen besetzt. Entsprechend wählen inzwischen die meisten Psychologieabsolventen VT als Fachkunde. Die Psychoanalyse bzw. Tiefenpsychologie war deutlich vor der VT als Therapieverfahren in der kassenärztlichen Versorgung anerkannt, so dass bei den älteren psychologischen Psychotherapeuten die psychoanalytische Verfahrenswahl überwiegt.
Ärztliche Psychotherapeuten, aber auch die Fachärzte für Psychiatrie und Psychosomatik, haben oft die Schwerpunktsetzung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie. In unserem Institut werden Mediziner und Psychologen nicht nur in den gleichen Seminaren ausgebildet, sondern die Dozenten, Supervisoren und Lehranalytiker können sowohl Psychologen als auch Mediziner sein, immer jedoch sind sie Psychoanalytiker.
(Michael Gingelmaier)
Verhaltenstherapie vs. Psychoanalyse – Was ist besser?
Die meisten Studierenden entscheiden sich für eine Ausbildung in Verhaltenstherapie. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass vor allem Psychologiestudierende während des Studiums nur sehr einseitig über die verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren informiert werden. Im Grunde lernen sie nur etwas über Verhaltenstherapie, weil die meisten Lehrstühle für Klinische Psychologie von behavioristisch orientierten Fachvertretern besetzt sind. Sofern Psychoanalyse überhaupt gelehrt wird, wird sie als veraltet und unwissenschaftlich dargestellt, nicht selten noch in polemischer Form. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich Psychologiestudenten oft wie selbstverständlich für die VT-Ausbildung, ohne je eine wirkliche Wahl gehabt zu haben, weil sie von Psychoanalyse, sofern sie überhaupt etwas davon wissen, nur ein oberflächliches oder klischeehaftes Bild haben.
Wenn Psychoanalyse während des Studiums von kompetenten Vertretern unseres Faches unterrichtet werden würde, würden sich vermutlich viel mehr Studierende für eine psychoanalytische Ausbildung entscheiden, weil sie merken würden, dass die Psychoanalyse – anders als die kognitive Verhaltenstherapie – über ein reichhaltiges Wissen verfügt, um die unbewussten Sinnzusammenhänge psychischer Erkrankungen zu verstehen und eine Behandlungspraxis hat, die dem Umgang mit den oft schwierigen Übertragungs-, Gegenübertragungs- und Abwehrprozesses gerecht wird.
Wenn Psychoanalyse während des Studiums gelehrt werden würde, würden sich vermutlich auch einige der Studierenden, die sich heute, aus Unzufriedenheit mit dem kognitiv-behavioristischen Menschenbild und Behandlungsmodell, für eine tiefenpsychologische Ausbildung entscheiden, trotz höherer Kosten und längerer Dauer für eine Ausbildung entscheiden, die sowohl tiefenpsychologisch fundierte als auch analytische Psychotherapie enthält, weil die Selbsterfahrung hier umfassender ist, die theoretische Ausbildung gründlicher und die Supervision der Ausbildungsfälle das ganze Spektrum zwischen Kurzzeitpsychotherapie und hoch- und niederfrequenter Langzeittherapie umfasst.
Dies qualifiziert für eine spätere Berufspraxis, in der man sehr flexibel das für den Patienten beste Behandlungssetting wählen kann (Behandlung Liegen oder im Sitzen) und die jeweils notwendige Behandlungsfrequenz variieren kann (von einer bis mehreren Behandlungsstunden pro Woche).
(Karl-Friedrich Braun)
Woher weiß man, ob man hilft?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Die erste Kontaktaufnahme der Patienten ist meist von sehr hohen Erwartungen an den Psychotherapeuten oder die Psychotherapeutin bestimmt. Oft besteht schon ein jahrelanges psychisches oder körperliches Leiden, welches die Patienten nun „endlich beseitigt“ haben wollen. Es ist dann sehr bedeutsam für einen psychoanalytischen Behandlungsverlauf, ob sich eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen den beiden Gesprächspartnern entwickeln kann, die bei dem Patienten die Hoffnung auf Besserung entstehen lässt und bei dem Psychotherapeuten die Vorstellung, dass die analytische Methode diesem Patienten ein genügend gutes Verständnis seiner inneren Zusammenhänge eröffnen könnte. In diesem sich miteinander entwickelnden Geschehen stellen sich beide Partner Fragen, auch über die Sympathie, ob sie mit Fragen und dargestellter Leidensgeschichte ausreichend arbeiten könnten, ob der Patient auf analytische Probedeutungen und Rahmenbedingungen eingehen kann und ob man sich vorstellen kann, mit diesem Menschen über Jahre therapeutisch intensiv zu arbeiten. Dieses diffizile Beziehungsgeflecht der Vorgespräche, das zu einem Verständnis innerer unbewusster Vorgänge und Übertragungsphänomene führen soll, wird schließlich neben der beruflichen Erfahrung dem Psychotherapeuten das Gefühl und die Hoffnung geben, diesem Menschen helfen zu können.
(Christina Detig-Kohler)
Ein Analytiker ohne Gefühle – Gibt es das?
Hinter dieser Frage steht vielleicht die Befürchtung, man könne als Analytiker/in gefühlsmäßig abstumpfen. Wenn man jedoch emotional offen ist für alles, was von den Patienten kommt und auf die eigene Beteiligung horcht, ist dies gerade eben nicht der Fall. Es kommt darauf an, so gut wie möglich mitzuschwingen und in sich selbst zu spüren, was man als Botschaft des Patienten empfängt und wie man die aktuelle Beziehung versteht. Dazu gehören alle möglichen Gefühle, die meist sehr intensiv empfunden werden.
(Stefanie Wilke)
Zu welchen Schwierigkeiten mit Patienten kann es kommen?
Eine psychoanalytische Ausbildung ist langwierig, anspruchsvoll und verlangt Ausbildungskandidaten einiges ab. Die Gründe hierfür liegen in der Natur der späteren beruflichen Tätigkeit: Neben theoretischem Wissen und der Bereitschaft, sich empathisch auf das Erleben von Patienten einzustellen, erfordern analytische Behandlungen besondere Fähigkeiten des Behandelnden: Er hat mit dem, was er mit seinem Patienten im Behandlungszimmer erlebt und was in ihm angestoßen wird, ´umzugehen´. Das heißt, er stellt seinem Patienten einen inneren Raum (sein Fühlen und Denken) zur Verfügung, um dessen individuelle Probleme unmittelbar wahrnehmen, neu verstehen und ihm mitteilen zu können.
Obwohl man zunächst davon ausgehen kann, dass sich der Patient authentisch mitteilen und wirklich helfen lassen möchte, weckt jede intensivere therapeutische Annäherung naturgemäß Ängste, und auch gegen diese Ängste eingesetzte Abwehrbewegungen (Ausweichmanöver) bis hin zu angstvoll verteidigten Bewältigungsmechanismen. „Schwierigkeiten“ bzw. Konflikte sollen oft umgangen werden, sind aber letztlich unumgänglich – eine conditio humana – und dabei handelt es sich nicht nur um die Schwierigkeiten, derentwegen sich der Patient bewusst Hilfe sucht.
In der Regel vermag ein Psychoanalytiker seine emotionale Erfahrenheit und professionelle Kompetenz zu nutzen, dem Leiden seiner Patienten und den damit verbundenen – auch tief verwurzelten – Problemen nicht auszuweichen und sich gründlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Hierbei gilt auch: „Wer sich nicht verwickelt, spielt keine Rolle!“. Oftmals sind kompliziertere emotionale Situationen und Verwicklungen unvermeidlich, da viele Patienten ihre tieferen konflikthaften Erfahrungen nicht anders mitteilen können: Sie müssen diese den Analytiker spüren lassen. Wie gesagt: Solche emotionale Erfahrungen zuzulassen und dabei eine Bemühung aufrecht zu erhalten, sie zu ‚verdauen’ und denkend durchzuarbeiten, gehört zum langjährig erworbenen ‚Know-how’ des Analytikers.
Damit arbeitet er aber sehr häufig im Grenzbereich – des Schwer-Verständlichen, Schwer-Erträglichen, auch Schwer-Veränderbaren –, mit dem er sich in der therapeutischen Beziehung konfrontiert sieht. Vor allem im Umgang mit sehr kranken Patienten, aber auch übermäßig ausagierten Affekten (z.B. Ängste, Wut, Trauer) ergeben sich oft enorm schwierige Konstellationen: (Auto-)destruktives Verhalten, Süchte, umfassende psychotische Dekompensationen und schwere depressive Entwicklungen können die Weiterführung der Behandlung gefährden oder unmöglich machen. Nicht selten sind es aber auch subtilere und (verleugnend) übersehene anti-therapeutische Tendenzen, die einen Verstehensprozess unterlaufen und zu therapeutischen Sackgassen führen. Hierzu gehören offene oder verdeckte Entwertungen: Wenn etwa der Patient seinem Analytiker klar macht, dass er weder ihn als Person noch seine Methode ernst nehmen kann – aber trotzdem weiterhin in die Behandlung kommt.
In diesen und anderen Verhältnissen kann man als Analytiker derartig verwickelt werden, dass man die nachdenkliche ‚analytische Position’ dauerhaft und tiefgreifend verliert – und sich womöglich selbst zeitweise Hilfe zu suchen hat. Dazu gehören auch die vielfältigen Erscheinungsformen positiver Gefühle, die eine (ebenfalls sorgfältig geschulte) abstinente Haltung erforderlich macht und über die Freud an Jung schreibt:
„Verleumdung und von der Liebe, mit der wir operieren, versengt zu werden, das sind unsere Berufsgefahren, derentwegen wir den Beruf wirklich nicht aufgeben werden. Navigare necesse est, vivere non necesse.”
(Norbert Matejek)
Interpretiert man manchmal zu viel in den Patienten hinein?
Das kann schon passieren, wenn man z.B. nur die Ostereier findet, die man zuvor versteckt hat – d.h., wenn man den Patienten und das, was er sagt, über den Leisten der eigenen Theorie zieht, die man bestätigt sehen möchte, statt erst einmal abwarten, zuhören und auch Nichtwissen aushalten (und dem Patienten zumuten) zu können. Oder wenn man den Splitter im eigenen Auge als Balken in dem des Patienten sieht, diesen also projektiv verzerrt wahrnimmt, weil eigene Themen, Gefühle und Probleme sich vordrängen und einen daran hindern, den Patienten als von mir Verschiedenen zu sehen. Damit dies alles möglichst nicht vorkommt und, falls doch, man es merkt, reflektieren und für’s Verstehen nutzen kann: Dafür macht jeder Psychoanalytiker eine lange Lehranalyse, um sich und seine ‚blinden Flecken’ und damit seine Projektions- (Gegenübertragungs-)Bereitschaften besser kennen und kontrollieren zu können.
(Suse Köbner-Jäger)